Gestern endeten die olympischen Reitwettbewerbe mit den Enscheidungen um die Einzelmedaillen in der Dressur. Diese wurden zum ersten Mal ausschließlich über die Platzierung in der Kür vergeben.
Zu sehen gab es neben großartigen Ritten zu perfekt abgestimmter Musik wie bei Charlotte Dujardin, leider auch unschöne Bilder von stramm angezogenen Kandaren und Pferden, die alles andere als reel durch das Viereck tanzten.
Aber auch große Diskrepanzen in den Richterurteilen und die Entscheidung, dass der Grand Prix Special nicht mehr in die Einzelwertung mit eingeht, lassen diesen letzten olympischen Reitwettbewerb in keinem guten Licht stehen.
Vorab: Auch, wenn der Grand Prix Special mit in die Wertung eingegangen wäre, hätte es für Helen Langehanenberg nicht zu einer Medaille gereicht, es geht also nicht darum, die deutschen in ein besseres Licht zu rücken.
Trotzdem sollte überdacht werden, ob Noten, die für eine spektakuläre Choreografie vergeben werden, zu gleichen Teilen in die Endnote mit eingehen sollten, wie die Teilnoten für die technische Ausführung. Die Dressur wird oft genug nicht als Sportart ernst genommen, da ist es sicherlich nicht förderlich, wenn die Endnote maßgeblich für von einer doch recht subjekten Note beeinflusst wird.
Erste deutsche Reiterin war Kristina Sprehe mit Desperados. Anky von Grunsven hatte mit dem wiederbelebten Rentner Salinero kurz zuvor 82% vorgelegt. Nach dem Missgeschick aus dem Special konnte Kristina Sprehe ihren lackschwarzen Hengst diesmal deutlich gelöst vorstellen. Desperados lief stets mit der Nase leicht vor oder an der Senkrechten und auch der Schweif war -zumindest in großen Teilen der Prüfung- wesentlich ruhiger als noch zwei Tage zuvor. In den Passagen und Piaffen zeigte der Hannoveraner seine Stärke und setzte sich vorbildlich auf die Hinterhand, allerdings trat er teilweise deutlich ungleich in der Hinterhand. Insgesamt wünscht man sich dieses Pferd noch etwas sicherer im Takt.
Insgesamt standen am Ende 81,375% zu Buche, wobei der dänische Richter Leif Törnblad mit seiner Wertung von genau 77% fast 5% unter dem des Richters bei M lag, der die zweitschlechteste Bewertung für Kristina Sprehe vergab.
Bedauerlich ist, dass die Reiterin in der technischen Note deutlich vor Anky van Grunsven und Carl Hester lag. Dieser Umstand zeigt, wie stark die oft sehr hoch gewählte B-Note die Platzierung beeinflussen kann.
Alle drei deutschen Reiterinnen waren nacheinander an der Reihe, so dass sich das Publikum nach einer kurzen Pause auf Dorothee Schneider freuen konnte.
Zu sehen bekam es feines Reiten auf höchstem Niveau. Die Hilfen von Dorothee Schneider waren kaum zu erkennen, besonders ihre Zügelhilfen wirkten, besonders im Vergleich zu anderen Reitern, nur minimal. Diva Royal quittierte diese feine Hilfengebung mit einer sehr konstanten Anlehnung, die Nase stets vor der Senkrechten, der Schweif locker pendelnd und einem starken Schritt, der nicht mit mehr Raumgriff und Takt ausgestattet sein könnte.
Am Ende reichte es zu Platz sieben - einen Platz vor Kristina Sprehe - doch auch Dorothee Schneider schnitt in den technischen Noten besser ab, als die Teilnehmer auf Platz fünf und sechs.
Helen Langehanenberg verkündete bereits vor den olympischen Spielen, dass ihr Hengst Damon Hill ein besonderer Freund der Kür ist. Dieser Eindruck bestätigte sich. Damon Hill präsentierte sich in überragender Selbsthaltung und Balance, die Passagen und Piaffen waren, bis auf einen Rhythmusverlust in der Piaffe, beeidruckend gesetzt und auch die Vorwärtstendenz in der Piaffe hatte sich im Vergleich zu den anderen zwei Prüfungen minimiert. Die Verstärkungen verfügten in allen drei Grundgangarten über deutliche Rahmenerweiterung, was den späteren Medaillengewinnern nicht immer bzw. nicht reel gelang. Obwohl der Hengst sehr losgelassen wirkte, sperrte er leider auch in dieser Prüfung leider wieder deutlich im Maul.
Am Ende belegten die beiden denkbar knapp Platz vier, wobei auch hier der dänische Richter mit 79,750% (Gesamt 84,303%) seinen Teil dazu beitrug.
Alle drei Reiterinnen fielen auf, leider nur eine von ihnen wirklich positiv.
Auf dem Bronzerang konnte sich Laura Bechtholsheimer mit Mistral Hojris platzieren. Ihre Kür zur Musik war ausgesprochen lektionssicher, der Wallach zeigte einen sehr guten Ausdruck. Allerdings wirkte die Reiterin sehr massiv ein, das Pferd lag permanent auf ihrer Hand und reagierte nur auf deutlichste Hilfen.
Silber ging an die Niederländerin Adelinde Cornelissen mit ihrem bewährten Parzival. Konnte man in der gesamten Prüfung sowohl bei den deutschen, wie auch bei den britischen Reitern klassisch ausgebildete Pferde sehen, die in guter Aufrichtung an der Senkrechten gingen, so zeigte Cornelissen ihren Wallach ausgesprochen hoch aufgerichtet.
Die Kandare war stets angezogen und das Pferd wirkte über weite Strecken der Prüfung stramm im Rücken.
Am Ende der Prüfung zeigten die Kameras eine Großaufnahme von Maul und Auge des Pferdes, die Bände sprachen.
Ob diese Reiterei Zukunft hat, müssen die Richter entscheiden, auch, wenn sie heute noch hoch honoriert wurde, scheinen sich andere Nationen auf dem Weg zurück zur klassischen Reiterei zu befinden und erzielen damit ebenso überragende Ausbildungsergebnisse.
Charlotte Dujardin und ihr Shootingstar Valegro holten sich wie erwartet - und vollkommen zu Recht - die Goldmedaille. Dieses Paar hatte es wirklich mehr als verdient. Valegro verkörpert Charme, Gangvermögen und Coolness wie kein Zweiter in dieser Prüfung. Stets in guter Anlehnung und reeler Aufrichtung punktete er besonders in der Trabtour mit eindrucksvollen Verstärkungen, in denen man hervorragend den Unterschied zu Parzival erkennen konnte: Beide Pferde traben mit spektakulärem, raumgreifendem Vorderbein, doch bei Valegro kam auch das Hinterbein auf die gleiche Höhe und fußte sehr gut unter.
Die Reiterin wirkte fein und gefühlvoll ein, hier schien vollkommene Harmonie zu herrschen.
Dieses Bild konnte auch eine kleine Unstimmigkeit am Ende der Prüfung nicht zerstören.
Insgesamt konnten sich die Zuschauer über eine äußerst hochkarätige Prüfung freuen, neun Paare lagen über 80%, kein Paar wurde schlechter als 75% bewertet, dies war einem olympischen Finale würdig. Nicht würdig waren allerdings die weit auseinander klaffenden Richterurteile, durch die die Platzierungen kräftig durcheinander gewürfelt wurden. Vielleicht sollte hier über einen Modus nachgedacht werden, bei dem Ausreißer nach oben wie nach unten ein Streichergebnis bilden, wie in vielen anderen Sportarten üblich.
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