Donnerstag, 16. August 2012

Reit- oder Schaupferde? Zur Vergabe von Prämien auf Stutenschauen in Westfalen

Was macht ein gutes Reitpferd aus? Nun, zuerst sollte man, allein des Wortstamms wegen, davon ausgehen, dass es sich gut reiten lässt.

Rittigkeit – Willigkeit des Pferdes, auf Hilfen richtig zu reagieren“

Das Pferd soll sich also lerneifrig und engagiert unter dem Sattel präsentieren und seinem Reiter das Gefühl geben, dass es bereit ist, willig mit ihm zusammenzuarbeiten.

Auch in der Satzung des westfälischen Pferdestammbuchs wird die Rittigkeit im Zuchtziel klar erwähnt und definiert:

Gezüchtet wird ein edles, großliniges und korrektes, gesundes und fruchtbares Pferd mit
schwungvollen, raumgreifenden, elastischen Bewegungen, das aufgrund seines Temperamentes,
seines Charakters und seiner Rittigkeit für Reitzwecke jeder Art geeignet ist.

Insgesamt gibt es also neben der Rittigkeit drei weitere Aspekte, die man sich laut Zuchtziel von einem westfälischen Reitpferd wünscht:

  • Korrektheit, Gesundheit und Typ
  • Bewegungsablauf
  • Vielseitigkeit

Drei von diesen vier Aspekten müssen unter dem Sattel oder im Freilaufen bzw. -springen, im Idealfall sogar in beiden Bereichen überprüft werden.

Die Rittigkeit erschließt sich von selber, der Wille des Pferdes, die Hilfen des Reiters anzunehmen, kann nur unter dem Sattel getestet werden.

Der Bewegungsablauf umfasst laut Satzung drei fleißige, taktmäßige, schwungvolle, leichtfüßige und raumgreifende Grundgangarten. Da an der Hand nur der Schritt und der Galopp überprüft werden können, ist auch für eine Bewertung des Bewegungsablaufs mindestens das Freilaufen notwendig. Da im Zuchtziel aber klar ein Reitpferd definiert wird, sollte auch unter dem Reiter überprüft werden, ob die Grundgangarten unter der Belastung erhalten bleiben.

Auch die Vielseitigkeit des Reitpferdes, die sicherlich auch eine gewisse Sportlichkeit beinhaltet, kann nicht an der Hand präsentiert werden. Auch hier sollte mindestens das Freispringen überprüft werden.

Lediglich zur Bewertung von Korrektheit, Gesundheit und Typ ist also eine Bewertung ohne Sattel und Reiter von Nöten.

Betrachtet man nun das Zuchtziel und die daraus entstehenden Bewertungsaspekte für das moderne Reitpferd, so stellt sich die Frage, warum Prämien nicht auf der Stutenleistungsprüfung, auf der drei von vier Aspekten vollständig bewertet werden können, vergeben werden, sondern auf Stutenschauen, auf denen lediglich das Exterieur und Teile des Bewegungsablaufs präsentiert werden können.

Schaut man außerdem auf die Selektionsmerkmale zur Exterieurbeurteilung, die die Grundlage für die Vergabe von Prämien auf Stutenschauen legen, so beinhalten sie den Rasse- und Geschlechtstyp, die Qualität des Körperbaus, die Korrektheit des Ganges, den Schritt, den Trab und den Gesamteindruck.
Schon in der eigenen Satzung wiederspricht das westfälische Pferdestammbuch also seinem Zuchtziel:

Durch die Vergabe von Prämien an Stuten, die weder eine Bewertung für ein Drittel des Bewegungsablaufs, noch für den Aspekt der Vielseitigkeit erhalten haben, werden Teile des Zuchtziels außer Acht gelassen.

Auf der Stutenleistungsprüfung wäre es hingegen ein leichtes, eine kurze Exterieurbeurteilung z.B. vor dem Freispringen einzuführen und somit den komplettesten Stuten eine Prämie zu ermöglichen.

Für dieses System sprechen weiterhin zwei weitere Argumente:

Für junge Pferde ist der Transport und ein Auftritt in einer ungewohnten Umgebung immer ein Stressfaktor. Selbst wenn die Vergabe einer Prämie nach einer sehr erfolgreichen Stutenleistungsprüfung nur noch reine Formsache wäre, so stellt man die jungen, qualitätsvollen Stuten, die eventuell auch noch im Sport eingesetzt werden oder tragend sind, vor eine weitere, eigentlich unntöige Belastung.

Außerdem gibt es eine Diskrepanz zwischen der Teilnahme an einer Stutenschau und der Benotung der Stutenleistungsprüfung: Gibt es bei der Stutenleistungsprüfung inzwischen keinen Altersabzug bei vierjährigen Stuten mehr, so können doch nur dreijährige Stuten auf Stutenschauen vorgestellt werden. Zwar können an ältere Stuten auch noch Verbandsprämien verliehen werden, dies ist aber nur über Umwege im Sport oder über gute Nachzucht möglich. Eine mögliche Staatsprämie entfällt für vierjährige Stuten hingegen ganz, diese kann nur auf der Elitestutenschau vergeben werden, für die sich die Stuten wiederum nur über regionale Stutenschauen, also nur dreijährig, qualifizieren können.
Dieser Aspekt betrifft vor allem großrahmige, blütige Stuten, die oftmals aufgrund ihrer erst etwas später ihr volles Potential entfalten können und somit oft keine Prämie erhalten.
Besonders für Blutstuten, die doch auch laut Verband so dringend benötigt werden, sollte darüber nachgedacht werden, die Staatsprämie nur dreijährig zu vergeben.
Schaut man sich die geringe Zahl der Halbblutstuten auf den letzten Eliteschauen an, so bestätigt sich dieser Verdacht wohl.

Besinnt man sich nun zurück auf das Zuchtziel, so sollte überdacht werden, ob die Stutenschau der richtige Ort zur Vergabe von Prämien ist, besonders wenn doch ausdrücklich ein Reitpferd und kein Schaupferd gezüchtet werden soll.

Quellenangabe:  http://westfalenpferde.de/01/pdf-dateien/Satzung2011.pdf

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